Englische Version: Digital Publications in Culture: Examples and Key Features – Survey Results from the NFDI4Culture Community
Der Aufgabenbereich TA4 „Datenpublikation und Langzeitarchivierung” der NFDI4Culture untersucht, welche Initiativen ihre Publikationen für Open Scholarship verbessern. Ziel ist es, Guidelines für Wissenschaftler:innen zu erstellen, um digitale Publikationen samt Forschungsdaten mit Schwerpunkt digitale Langzeitarchivierung zu veröffentlichen.
Um ein umfassendes Verständnis der bestehenden Enhanced Publications in der NFDI4Culture Community zu erhalten, wurde eine Online-Umfrage durchgeführt. Ihr Ziel war es, weitere repräsentative Beispiele zu sammeln. Die Umfrage diente auch dazu, ein besseres Verständnis dafür zu erlangen, was die NFDI4Culture Community unter einer Enhanced Publication versteht und welche Merkmale sie damit assoziiert.
Die Umfrage hat gezeigt, dass es eine Vielzahl von Kontexten gibt, die über Standard-Forschungspublikationen oder digitale Sammlungen hinausgehen. Darüber hinaus hat sie gezeigt, dass ein Begriff benötigt wird, der multimodale, multimediale und multilokale Publikationen erfassen kann.
Schlagwörter: Umfrage, NFDI4Culture, Kultur, Online-Veröffentlichung, Enhanced Publication, Open Access, digitale Langzeitarchivierung, Open Data, FAIR, PID, LOD, Multimedia, Multimodal, verteilt
Zitiert als
Arnold, Matthias; Büttner, Alexandra; Heseler, Jörg und Worthington, Simon. 2023. „Digitale Publikationen im Kulturbereich: Beispiele und Eigenschaften – Umfrageergebnisse aus der NFDI4Culture Community“. Die Arbeitsgruppe „Digitale Publikationen und Daten“. https://doi.org/10.5281/zenodo.7126012.
Im Rahmen von NFDI4Culture, Task Area 4 (TA4), untersucht die Arbeitsgruppe „Digitale Publikationen und Daten“ die vielfältigen Möglichkeiten, mit denen Initiativen, Verlage, Forscher und Forschungsprojekte ihre Publikationen für Open Scholarship digital aufbereiten. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Kriterien zu erarbeiten, die als Leitfaden für Wissenschaftler:innen bei der Erstellung von Publikationen und den dazugehörigen Forschungsdaten dienen können, wobei der Schwerpunkt auf der langfristigen digitalen Archivierung liegt. Zu diesem Zweck vergleicht und betrachtet die Arbeitsgruppe ein breites Spektrum von Publikationen, das von herkömmlichen wissenschaftlichen Abhandlungen und Monographien bis hin zu multimodalen Projektergebnissen und angereicherten Datenbanken sowie sogenannten Enhanced Publications reicht.
Um ein vollständiges Bild der in der NFDI4Culture Community vorhandenen Enhanced Publications zu erhalten, wurde eine Online-Umfrage durchgeführt, um einerseits repräsentative Beispiele zu sammeln, andererseits ein besseres Verständnis zu bekommen, was die NFDI4Culture Community unter Enhanced Publication versteht und welche Merkmale sie damit assoziiert. Sowohl die vorhandene Literatur als auch die ersten Diskussionen innerhalb der Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass es schwierig ist, einen Konsens für einen Begriff zu finden, der für diese neue Phase des wissenschaftlichen Publizieren im Kulturbereich verwendet werden kann. Als Ausgangspunkt wurde der Begriff „enhanced publications“ (Woutersen-Windhouwer and Brandsma 2009) gewählt.
We define an enhanced publication as a publication that is enhanced with three categories of information: (1) research data (evidence of the research), (2) extra materials (to illustrate or clarify), or (3) post-publication data (commentaries, ranking).
Report on Enhanced Publications state-of-the-art, Saskia Woutersen–Windhouwer & Renze Brandsma (UvA), April 2009. (Woutersen-Windhouwer et al. 2009)
Die Umfrage hat jedoch gezeigt, dass die meisten Beispiele weit über Standard-Forschungspublikationen oder digitale Sammlungen hinausgehen. Das zeigt, dass ein neuer Begriff benötigt wird, der diese multimodale-multimediale-multilokale Transformation von digitalen Publikationen präziser benennen kann.
Die vorläufige Literaturauswertung (die am Ende des Berichts zu finden ist: Literaturliste) und eine E-Mail-Umfrage unter einigen unserer Forumsteilnehmer:innen haben jedoch Gemeinsamkeiten zutage gebracht: So versteht die Mehrheit unter einer Enhanced Publication eine digitale Publikation, die wissenschaftliche Methoden verwendet, aus verschiedenen Teilen besteht und offen zugänglich ist.
Tendenziell sind unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten: Zum einen ging die Idee einer Enhanced Publication in Richtung Scientific Publication, wo Forschungsdaten die Reproduzierbarkeit unterstützen, zum anderen ging sie in Richtung Semantic Publication, wo Metadaten die maschinengestützte Auswertung und automatische Verlinkung von Publikationen vorantreiben oder aber sie ging in Richtung Rich Media Publication, wo Interaktivität und Multimedia das Verständnis einer Publikation fördern. Für den Aufgabenbereich TA4 „Datenarchivierung und -publikation“ ist natürlich die Langzeitarchivierung bzw. die Verteilung der Komponenten einer solchen Publikation an verschiedenen Orten sowie die Erschließung in zentralen Katalogen interessant – in der obiger Abbildung als Distributed Preserved Publication bezeichnet.
Auf Basis dieser Erkenntnisse erstellte die Arbeitsgruppe diese erste Umfrage.
Ergebnisse der Umfrage Enhanced Publication
Das Hauptziel der Umfrage war es, Beispiele für Enhanced Publications mit Titel und Webadressen aus der NFDI4Culture Community zu erhalten. Die Gruppe nutzte die Gelegenheit, um nach Begriffen und Eigenschaften zu fragen, die die Community mit einer Enhanced Publication assoziiert. Die Umfrage wurde zwischen April und Mai 2022 über das Twitter-Profil und die Mailingliste von NFDI4Culture verteilt. Die für die Umfrage verwendete Software war LimeSurvey.
Inhaltlich wurden zu Beginn eine kurze Selbstvorstellung über unsere Arbeitsgruppe und die bereits erwähnten Ziele der Umfrage aufgeführt. Um die Teilnehmer:innen zu lenken, erwähnte die Gruppe nur, dass sich unsere Forschung auf offene Publikationen mit „multimodalen Präsentationen“ und „angereicherten historischen Datensätzen“ konzentriert und „konventionelle Forschungspublikationen“ in Form von wissenschaftlichen Artikeln und Monographien auslässt.
Insgesamt gingen 83 Submits ein. Davon wurden 25 Fragebögen vollständig ausgefüllt. Der Rest war zwischenzeitlich aus der Umfrage ausgestiegen. Die Anzahl der Antworten ist daher in Klammern hinter jeder Frage angegeben. Allerdings nimmt die Zahl im Laufe der Zeit ab. Unsere erste Frage lautete, ob die Teilnehmer:innen mit dem Begriff „Enhanced Publication“ vertraut waren. Etwas mehr als die Hälfte (55 %) der Teilnehmer:innen gab an, den Begriff zu kennen.
In der zweiten Frage fragte die Gruppe nach alternativen Begriffen für erweiterte Veröffentlichungen, die ebenso komplexe, digitale Veröffentlichungen beschreiben, aber in der Gemeinschaft üblicher sind. Einige Teilnehmer:innen nannten mehrere Begriffe. Zu den Top 4 gehören: „Digital publication”, „Online publication“, „Multimedia publication“ und „Data publication“.
Bei der dritten Frage wurden die Teilnehmer:innen gebeten, spontan drei Begriffe zu nennen, die sie mit einer Enhanced Publication in Verbindung bringen. Grob geclustert waren die am häufigsten genannten fünf: an erster und zweiter Stelle (je 44%) „Multimedia content“ und „interactive content“, die fast immer im Zusammenhang genannt wurden; an dritter Stelle (40%) „Attached research data“, an vierter Stelle (32%) „Links in the publication“ und an fünfter Stelle (28%) „Structured parsable content“, wobei hier Raum für Interpretationen der Antworten besteht: Wenn ein Teilnehmer:innen z.B. „Hypertext“ angab, meinte er/sie damit die Maschinenlesbarkeit des Inhalts oder die Interaktivität von Links innerhalb oder zwischen mehreren Dokumenten?
In der vierten Frage wurde die Community nach Beispielen für Enhanced Publications mit Titel und URL gefragt. Es wurden 13 Beispiele für Enhanced Publications genannt. Die meisten kamen aus dem Bereich der Musikwissenschaft und der Kunstgeschichte. Die Ergebnisse wurden in einer Tabelle gesammelt und werden derzeit ausgewertet und nach den festgelegten Kriterien geclustert.
Das Spektrum der Beispiele war sehr breit. Es wurden wissenschaftliche Artikel vorgeschlagen, zum Beispiel über KI-gestützte Musikkompositionen aus dem Bereich der Musikwissenschaft, die an Publikationen aus den Naturwissenschaften erinnern (siehe Abbildung oben). Bei diesem Artikel handelt es sich um einen HTML-Artikel mit einer zusätzlichen druckbaren PDF-Fassung. Der Artikel hat persistente Identifier (DOI und ISSN) sowie eine JATS/XML-Strukturierung. Darüber hinaus werden Forschungsdaten in Form von verlinktem Java-Quellcode in GitHub bereitgestellt, mit Primärdaten. Die Publikation setzt sich also aus Teilpublikationen zusammen, die auf verschiedenen Plattformen, also multilokal, veröffentlicht sind. Der Artikel selbst ist zudem in eine sehr interaktive Weboberfläche mit Diskussions- und Kommentarfunktionen eingebettet. Insgesamt waren alle von den Befragten angeführten Beispiele, wie auch diese multimodale und multilokale Publikation, Open Access und offen lizenziert.
Ein Wikipedia-Artikel über Beethovens 5. Sinfonie, der mit Forschungsdaten und Audiodateien angereichert wurde, wurde ebenfalls angegeben. Wikipedia-Artikel sind versioniert, haben aber keinen persistenten Identifier (PID).
Auch wissenschaftliche Artikel, wie dieser aus dem Bereich der Kunstgeschichte, wurden als Beispiele aufgeführt. In diesem Artikel (siehe Abbildung oben) geht es um die Analyse eines Gemäldes des flämischen Künstlers Peter Paul Rubens. In dieser Publikation wurde mittels eines IIIF-Viewers eine interaktive Anwendung integriert, in der man verschiedene kommentierte kunsttechnologische Aufnahmen betrachten kann.
Ebenso wurden viele Projektwebseiten genannt, wie z.B. das Projekt „UrbanHistory4D” mit einer integrierten 3D-Browser-App: der Dresdner Altmarkt in 3D mit verorteten historischen Fotografien in verschiedenen Zeiträumen.
Dieses Beispiel „DisAbility on Stage: Hybrid Media Publication” kennzeichnete, dass es als Art Landing Page fungiert, da es eher Zugang zu einer Sammlung von multimedialen Publikationen bietet, die auf verschiedenen Plattformen, also multilokal, publiziert wurden und hier mit einem persistenten Identifier (DOI) zusammengeführt werden.
Es wurden auch Projekt-Websites mit Musikplayern für digitalisierte Werke von Mozart, Beethoven oder Jazz angegeben. Diese Websites bieten interaktive Notenblätter mit Music Encoding Initiative (MEI) Code und mehrere Audioaufnahmen, zwischen denen der Hörer wählen kann.
In der fünften Frage dieser Umfrage wurden die Befragten gebeten, die Eigenschaften von nicht wichtig bis sehr wichtig zu bewerten. Die Ergebnisse sind hier in der Reihenfolge der Häufigkeit aufgeführt. Da die Gruppe eher an den Begriffen interessiert war, die mit einer Enhanced Publication verbunden sind, wurden keine weiteren Erklärungen zu den Merkmalen gegeben. Die fünf am häufigsten genannten Merkmale sind: 1.) Online, 2.) Persistente Identifier (PIDs), 3.) FAIR-Prinzipien, 4.) Interconnected outputs by metadata / vernetzte Ausgaben über Metadaten und 5.) Open Access.
In der Umfrage wurde auch nach Veröffentlichungsmöglichkeiten für Enhanced Publications gefragt. Nur fünf Befragte gaben an, dass sie wissen, wo sie erweiterte Publikationen veröffentlichen können.
Ganz zum Schluss wurden auch persönliche Daten abgefragt. Es waren Teilnehmer:innen aus allen Disziplinen der NFDI4Culture vertreten. Überwiegend aus dem Bereich der Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Die Mehrheit der Befragten arbeitet an einer Universität und ist in der Forschung tätig.
Schlussfolgerung und Ausblick
Die Arbeitsgruppe wird die Umfrageergebnisse nutzen, um ein Working Paper zu erstellen, das zum einen dazu beitragen soll, praktische Empfehlungen für die Verbesserungen von digitalen Publikationen zu geben, z. B. durch die Anwendung von Workflows, die Einbindung von Standards oder die Nutzung von Software-Plattformen; zum anderen sollen die Begrifflichkeiten rund um das digitale Publizieren beleuchtet und auch hinterfragt werden. Das langfristige Ziel der Arbeitsgruppe ist es, eine Guideline für Wissenschaftler:innen der gesamten NFDI4Culture Community zu erstellen.
In der Umfrage wurde festgestellt, dass mehr als drei Viertel aller Befragten nicht wissen, wo sie Enhanced Publications in der NFDI4Culture Community veröffentlichen können. Die TA4 hat bereits damit begonnen, auf solche Anfragen zu reagieren, indem sie z.B. eine Übersicht über Forschungsdaten-Repositorien und -Dienste für die Kulturdisziplinen bereitstellt, in der die unterstützten Medientypen für jeden Publikations- und Archivierungsdienst angegeben sind.
Der Begriff „Enhanced Publication“ war der Ausgangspunkt für die Gruppe, um die digitalen Eigenschaften einer Veröffentlichung zu beschreiben. Die Umfrage hat gezeigt, dass es eine Vielzahl von Beispielen gibt, die über Standard-Forschungspublikationen oder digitale Sammlungen hinausgehen. Darüber hinaus hat sie gezeigt, dass auf Grund des steten digitalen Wandels ein Begriff benötigt wird, der multimodale, multimediale und multilokale Publikationen erfassen kann und dass der Begriff „Enhanced Publication” nicht mehr ganz zutreffend ist. Letztendlich ist es die derzeitige Diskrepanz zwischen der Publikationspraxis und den verfügbaren Infrastrukturen, sowie neu hinzukommenden Funktionen und Methoden, die es zu einer Herausforderung machen, nicht nur einen Namen festzulegen, sondern auch die praktischen Schritte zur Verbesserung der Publikationspraxis herauszufiltern und so die Lücke zwischen Bedarf und Angebot zu schließen.